25.05.2020 Drittes Akteurstreffen der raumwirksamen Akteure in der Mecklenburgischen Schweiz
3. Mai 202028.09.2020 Viertes Akteurstreffen der raumwirksamen Akteure in der Mecklenburgischen Schweiz
21. September 2020Auch das könnte eine Facette der Energiewende sein
Auf der Hälfte der Strecke von Gnoien nach Tessin, knapp über einem spiegelglatten See gelegen, sieht man ein großes und weißes Gutshaus. Wer hier ein weiteres kleines Hotel oder die Residenz wohlbetuchter Herrschaften vermutet, liegt falsch.
In jenem Gutshaus von Duckwitz befindet sich ein kleines Unternehmen, das sich seit fast zwei Jahrzehnten mit konzentrierender Solarthermie beschäftigt.
Es ist schon dunkel, als wir in das für Landgüter so typische Parkrondell vor dem beleuchteten Haus einfahren.
Hier wohnt und arbeitet Dr. Joachim Krüger, Gründer der Solarlite Gmbh und Vorsitzender des Arbeitskreises der IHK für Solarthermie.
Wir werden freundschaftlich begrüßt, treten in einen großen und einladend eingerichteten Saal ein und setzen uns auf die verschiedenen Sessel und Kanapees. Im Buchregal entdeckte ich eine Ausgabe von Isaac Asimovs Science-Fiction-Roman Lunatico.
Joachim Krüger erzählt uns vom Saal und dem Haus, seine Frau hält hier Coaching- Runden und Seminare ab.
Doch was geschieht hier eigentlich so Wegweisendes?
Das Duckwitzer Gutshaus ist der Sitz der Solarlite Gmbh, eines kleinen Unternehmens, das seit 20 Jahren Anlagen plant und baut, die mit der Kraft des Fusionsfeuers der Sonne Elektrizität, Dampf, Wärme oder Kälte bereitstellen.
Wer bis dahin an normale Photovoltaikelemente gedacht hat, dürfte sich spätestens bei Dampf gewundert haben. Solarlite stellt nämlich Anlagen für konzentrierende Solarthermie her.
Konzentrierende Solarthermieanlagen arbeiten mit sogenannten Parabolrinnen, verspiegelten Rinnen, die die Sonneneinstrahlung bündeln. Im Brennpunkt (bei den in nur eine Richtung gebogenen Spiegeln eher „Brennlinien“) der Spiegelrinnen befindet sich ein Rohr, in welchem aus Wasser Dampf erzeugt wird. Das Prinzip ist so einfach wie genial.
Die Betriebstemperaturen solcher Anlagen können dabei bis zu 500 Grad Celsius betragen, was diese für Anwendungen der Industrie sehr interessant macht.
Der Dampf kann zum Beispiel zur Stromerzeugung verwendet werden, ebenso wir für Wärme- und Kälteanlagen, Meerwasserentsalzung und eben auch Warmwasser. All das kann die konzentrierende Solarthermie (auch CSP, concentrated solar power genannt) bereitstellen.
Anders als bei der normalen Photovoltaik werden hierbei auch keine seltenen Erden verbraucht. Es handelt sich um eine schlichte, verspiegelte, gewölbte Oberfläche.
Auch müssen keine giftigen und umweltschädigenden Thermalöle verwendet werden. Ein Betriebsunfall mit den Solarlite-Anlagen würde mehr einem pfeifenden Teekessel gleichen – mehr nicht.
Wieviel Kraft steckt hinter Krügers Rinnen?
Eine Fläche von 300 mal 300 km konzentrierender Solarthermieanlagen, eingerichtet in Nordafrika wäre theoretisch gesehen genügend, um den gesamten Weltbedarf an Energie zu decken. Theoretisch! (Manche erinnern sich da vielleicht noch an Initiativen wie Desertec.) Das ist eine sehr überraschende Zahl, die einem zeigt, dass die Energiewende momentan nicht an den technischen Möglichkeiten, sondern „lediglich“ an der praktischen Umsetzung scheitert, und daher letztlich ein Problem politischer Handlungslosigkeit ist.
Der Grund für dieses Handlungslosigkeit liegt, laut Joachim Krüger darin, dass die CSP-Technologie in den entscheidenden politischen Stellen in Deutschland schlicht nicht bekannt ist. So berichtet er davon, dass technische Richtlinien verabschiedet werden sollten, die nicht dem neuesten Stand der Forschung entsprächen, Ingenieurbüros die Option CSP nicht kennen und daher Städten und Kommunen diese nicht anbieten können.
Es scheint sich dabei kurioserweise aber um ein spezifisch-deutsches Phänomen zu handeln, denn im Ausland erfreut sich die konzentrierende Solarthermie wachsender Beliebtheit.
So wurde in Dänemark nach den Ölkrisen die Ölheizung verboten, was zusammen mit der Anschlusspflicht für Wärmeleitungen dazu führte, dass man sich nach günstigen Wegen der Wärmeerzeugung umsah, was die Verbreitung der CSP im Land förderte.
Der belgische Hafen Antwerpen braucht Wärme, also baut Solarlite auch dort Rinnenkollektoren über den Rangiergleisen der Bahn – „Unkonventionell, aber wenn gewünscht, auch das“ sagt Krüger.
Spanien beschloss kürzlich erst, den Anteil an CSP von 2,3 Gigawatt auf 7 Gigawatt zu erhöhen. Marokko hat sich durch Förderprogramme eine weltweit beachtete Expertise zur konzentrierenden Solarthermie angeeignet.
Die konzentrierende Solarthermie ist weltweit auf dem Vormarsch, deswegen ärgert es Joachim Krüger, dass Deutschland auf diesem Weg keine ernsten Schritte unternimmt.
„Es kann doch nicht sein, dass wir jahrzehntelang Steuergelder aufwenden und eine Technologie entwickeln, die wir dann am Ende brach liegen lassen“ sagte er.
Deutschland tut sich keinen Gefallen damit, diese Innovationen nicht zu beachten:
„Ich würde auch gern hierbleiben und hier weiterhin produzieren“ – in Mecklenburg-Vorpommern, in dem Bundesland mit den bundesweit niedrigsten Löhnen und meisten Arbeitslosen ist ein solches Unternehmen ein konkreter entwicklungspolitischer Motor.“
40% des weltweiten Energieverbrauchs entfallen auf Heizen und Kühlen, das Potenzial einer Technologie, die diesen Energiehunger zu 100% nachhaltig befriedigt, ist daher ungemein groß. Oft hört man das Argument, dass wir auch Strom brauchen, wenn Sonne und Wind einmal nicht zur Verfügung stehen. Richtig! Doch das lässt sich aber in der Praxis durch sog. Sektorkopplung beheben, das heißt durch eine Kombination verschiedener Wege und Technologien wie Erdwärme, CSP, Photovoltaik, Windenergie oder Biomasse und vor allem durch eine Kopplung verschiedener Bereiche der Energienutzung (Strom-Wärme-Mobilität). Darüber hinaus liefern Rinnenkollektoren auch an bewölkten Tagen Dampf, weil sie eben die Energie der Sonne fokussieren und daher mit niedrigeren Beleuchtungsstärken immer noch zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. „Wenn ein Schattenwurf da ist, passiert da auch was“ -so Joachim Krüger.
Neben der Erzeugungsfrage ist es vor allem eine Frage des Speicherns. Strom kann nur äußerst mühsam und verlustreich aufbewahrt werden, die Batterieforschung läuft auf Hochtouren, doch immer noch sind Akkumulatoren schwer, aus seltenen Metallen gemacht und ineffektiv im Vergleich zu anderen Speicherformen. Auch hier bietet sich der thermische Weg an: Wärmespeicher sind seit den 1920er Jahren bekannt und können sehr effektiv die Energie über eine längere Zeit aufbewahren.
Die bereitgestellte Wärme aus CSP, gespeichert in thermischen Speichern würde zu einer weiteren Verringerung des Strombedarfs im Gebäudebereich führen.
Doch was ist mit der Mobilität? In ein Auto passt kein thermischer Speicher, also was tun?
Wasserstoff ist ein guter Weg, Mobilität zu gewährleisten, er ist ungiftig, kann einfach hergestellt werden und verbrennt zu normalem Wasser, ein vielversprechender Kandidat für eine nachhaltige Mobilität.
Wie ihn aber bereitstellen? Wasserstoff wird normalerweise über sogenannte Elektrolyseverfahren, von denen es Verschiedene gibt, hergestellt. Dabei spaltet elektrischer Strom Wassermoleküle H2O in 2 Wasserstoffteilchen und einen Sauerstoff auf.
Hier findet sich eine naheliegende Verbindung zur CSP: Eine Elektrolyse mit Dampf (welcher aus der CSP kommen könnte) ist um 20% effizienter als die normale Elektrolyse mit flüssigem Wasser.
Zurecht lässt sich anmerken, dass sich Wasserstoff nicht allzu lang aufgrund seiner Flüchtigkeit speichern lässt. Wie auch immer, es gibt Flüssigkeiten und sog. Metallhydridspeicher, die dies können, außerdem ließe eine zeitnahe Bereitstellung und ein zeitnaher Verbrauch auch dieses Problem umgehen.
Joachim Krüger stellt sich zukünftig eine Kombination dieser Technologien vor, mit Fokus auf thermischen Verfahren, da diese den elektrischen in vielerlei Hinsicht überlegen seien.
Die Dekarbonisierung unserer menschlichen Zivilisation steckt fast 60 Jahre nach Bekanntwerden des Klimaproblems in den Kinderschuhen. Die Welt rutscht immer weiter in Richtung eines runaway-climate-change, dessen Folgen für das gesamte Leben auf der Erde verheerend sein werden.
Die Technologien, unsere Zivilisation so umzubauen, dass wir die kommenden Jahrhunderte überstehen sind zweifellos da, das wird an solchen Abenden klar.
Daher ist das Problem viel mehr von kultureller und gesellschaftlicher Dimension, wir halten die Schlüssel in den Händen, sind aber bis auf diesen Tag nicht willens, die Tür aufzuschließen.
Daher war Joachim Krügers Appell an uns an jenem Abend klar; „Erzählt es weiter“
Dieser Artikel soll den Beitrag leisten, diese technischen Lösungen zu präsentieren und darüber Verständigungs- und Vernetzungsprozesse anzustoßen, damit sie eben nicht nur die theoretischen Schlüssel bleiben, sondern ganz praktisch großflächige Realität werden.
Für Fragen, Anmerkungen und Kontakt zum Gründer von Solarlite: https://www.solarlite.de/
Für Anmerkungen und Kritik am Artikel: turbanek@kmgne.de