13.02.2020 Regionales Netzwerk Heimat- und Herkunftsforschung
10. Januar 202024.03.2020 Mobilitätskonzepte von Bernd Kleist und Prof. Onnen-Weber per Videokonferenz
1. März 2020Das neue Landleben – eine Kulturrevolution?
Gewagte Thesen stellt die Mecklenburger An-Stiftung als Grundlage eines mehrtägigen Seminars in Waren über die Herausforderungen hiesigen Landlebens auf. Unterfüttert wird es mit einem Beitrag über die Lebensmittelversorgung auf dem Dorf. Und bei diesem Thema gibt es in der Mecklenburgischen Seenplatte eine Menge interessanter neuer Ideen.
Klimakatastrophen und globale Vernetzung er-fordern ein nachhaltiges Wirtschaften vor Ort – und wo geht das besser, mit allen Schwierigkeiten, als auf dem Land? Dementsprechend formieren sich derzeit diverse Initiativen auch in der Mecklenburgischen Seenplatte.
Dazu gehört ein Kreis Interessierter, die im zwei-monatlich stattfindenden Salon „Circipanien“ – eine Anspielung auf unsere Vorfahren – über Themen wie Nachhaltigkeit oder auch den nicht zuletzt wegen der Nazis umstrittenen Begriff Heimat diskutieren. Oder das Institut für nachhaltige Entwicklung, das vom Projekthof Karnitz aus die Marke Mecklenburger Schweiz mit vielen Akteuren identitätsstiftend stärken will. Es gibt das Netzwerk Run, das mittlerweile 54 Unternehmen im Raum rund um den Kummerower See und Malchin vereint. Man kümmert sich um Radwege und Beschilderungen, die Schlösser, das Moor, (gefährdete) lebenswerte An-gebote wie Bibliotheken, um Kleinstunternehmer und die Nachsaison, wie Katrin Holst vom Netzwerk sagte. Für dieses Jahr sei unter anderem auch eine neue Homepage geplant.
Lebensmittel-Seminar an Europäischer Akademie
Es gibt das „Abenteuerland Seenplatte“, eine Plattform, auf der junge Journalisten Filme über Land und Leute hierzulande zeigen. Und natürlich die Meck-Schweizer in Gessin, von denen Koordinatorin Dörte Wollenberg preisgibt, dass demnächst in Dorfladen-Netzwerk entstehen soll. „Wir wollen Neugründer beraten und bereits bestehende unterstützen“, sagte sie, die Schließung vieler inhabergeführter Geschäfte ringsum bedauernd. Denn solch ein Laden sei eigentlich der Kern des Dorflebens – ob als tatsächlicher Treffpunkt oder auch digital, sprach sie die Möglichkeit des Online-Shoppens an. Was die Vermarktung der regionalen Produkte von Gessin aus betrifft, so hapere es noch an der Verteilung der Produkte von etwa 80 Produzenten.
Das liege zum einen dar-an, dass es im Land an einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für die solarbetriebenen Kühlfahrzeuge mangele. Hier überlege man deshalb Kooperationen mit dem öffentlichen Personennahverkehr wie bereits in der Uckermark üblich. Zum anderen freue man sich natürlich über noch weit mehr Abnehmer. So dass noch mehr Leute erfahren, „wie gut die Mecklenburgische Schweiz schmeckt“, ein Credo, mit dem die Initiative MeckSchweizer auf ihren Abo-Tüten wirbt.
Über die spezielle Lebensmittelversorgung auf dem Lande spricht Dörte Wollenberg auch am 1. Februar in der Europäischen Akademie Waren, wo sich eine dreitägige Pilot-Tagung auf Initiative der Mecklenburger An-Stiftung des Themas annimmt. Wolf Schmidt, der Gründer der An-Stiftung und Autor des sehr lesenswerten Buches über das „Luxus Landleben. Neue Ländlichkeit am Beispiel Mecklenburgs“, stellt als Grundlage des Seminars gar die These von einer Kulturrevolution beim Wandel von der Alten zur Neuen Ländlichkeit auf.
Ferner geht es in mehreren Diskussionsbeiträgen darum, wo der Schuh drückt wegen typisch ländlicher Beschwerden, um die Bewältigung spezieller Probleme zwischen Landarzt und Großstadtklinik, um Landwirtschaft und Landklischee, die Mikropolitik und wer das Sagen hat in den Gemeinden. Und auch darüber wird geredet: Nur noch ein Prozent der MV-Bevölkerung ist sozialversicherungspflichtig in Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft beschäftigt.
Wenn heute über die Gegenwart und Zukunft ländlicher Räume nachgedacht wird, „müssen wir zuallererst die Menschen in den Blick nehmen, die heute dort leben“, sagt Wolf Schmidt. Aus welchen Motiven bleiben sie, oder sind sie – wie Hundert-tausende seit 1990 – neu zu-gewandert? Was sind ihre Er-wartungen, Hoffnungen und Befürchtungen zum ländlichen Leben? Welche Rolle spielen Natur, Kultur und digitale Revolution für diese Neue Ländlichkeit jenseits der Landwirtschaft? „Es geht um die Kultur des Landlebens in einem umfassenden Sinne“, möchte Wolf Schmidt dazu ein Forum etablieren.
Kontakt zur Autorin s.voss@nordkurier.de